Der älteste Superheld der Welt ist im dritten Jahrtausend angekommen. „Aber halt, was ist mit Superman Returns?“, werden einige Fragen. Doch während Singers Film von 2006 eine Hommage im Sequelgewand war, ist „Man of Steel“ gleichermaßen Neuanfang und Evolution. Im Film behauptet eine kryptonische Kriegerin, dass Evolution immer überlegen ist. Ob sie die Wahrheit spricht, kann der geneigte Leser aktuell im Kino selbst herausfinden. Wer sich noch kein Ticket gesichert hat, mag in den folgenden Zeilen erfahren, ob die Evolution des Superman Films seine Vorgänger wirklich in Grund und Boden schlägt.
Als Superman in den 30er Jahren das Licht der Welt erblickte, sah die Welt anders aus als heute. Im folgendem zweiten Weltkrieg war Superman ein leuchtendes Symbol des Guten. Moralisch überlegen, ohne Zweifel und mit fast vollkommener Macht besiegte er den Nationalsozialismus. Nicht umsonst wurden die Comics von Goebbels Propaganda verboten und Superman als Jude beschimpft. In den folgenden Jahrzehnten veränderte sich das Bild des fast schon göttlichen Außerirdischen nur geringfügig. Er begleitete Amerika durch den kalten Krieg, war der Star in Serien und Filmen und das Paradebeispiel eines Superhelden. Doch die Welt drehte sich weiter. Die Menschheit verlor das Interesse an Schwarz-Weißen Geschichten. Ambivalente Helden waren auf dem Vormarsch und der aalglatte Supermann schien kaum noch jemanden zu interessieren. Ein in Sarkasmus triefender Iron Man, im Sonnenlicht glitzernde Vampire und ein dunkler Ritter eroberten die Leinwände. Ein Neustart musste her. Und was lag näher, als den erfolgreichen Macher der Batman Trilogie, Christopher Nolan, als Produzent an Bord zu holen um Superman mehr Tiefe zu verleihen und bodenständiger zu machen?
Doch wer dank den düsteren Trailern oder dem Produzenten von Inception tiefsinnige Dialoge, ergreifende Charaktere oder eine intelligente Handlung erwartet, wird gnadenlos enttäuscht werden. Parallelen zu Batman Begins sucht man vergeblich. Dabei macht es gerade zu Anfang den Eindruck, als könnte der Mann aus Stahl mehr bieten. Die erste Stunde des Films vergeht, ohne dass der Hauptdarsteller Henry Cavill mehr als fünf Sätze sprechen muss. Er wirkt fast depressiv, auf der Suche nach Antworten und einer eigenen Persönlichkeit und so folgt der Zuschauer seinen Gedanken durch einige Rückblenden. So sehen wir Clark Kent fast ausschließlich dabei zu, wie er seine Kräfte benutzt um Gutes zu tun, im Zwiespalt mit den Worten seines Ziehvaters (gespielt von Kevin Costner, der die schwächste Inkarnation aller Jonathan Kents spielen darf), der die Identität seines Sohnes im Geheimen sehen möchte. Doch kaum erfährt Clark die Wahrheit über seine Herkunft, reichen ein paar Sätze des Hologramms von Jor-El (gespielt von Russel Crowe) um aus dem Jungen mit Konflikten wieder einen glatten Supermann zu machen. Was für ein Glück, dass auf dem Raumschiff, das vor 20 Tausend Jahren (also lange vor Supermans Baby Kapsel) auf der Erde gelandet war, auch direkt das Supermankostüm für Clark Kent bereit steht.
So wie Supermann seine Bestimmung erkennt, muss der Zuschauer einsehen, dass dieser Film nicht mehr ist als ein gewaltiges Spektakel, in dem jeder Handlungsschritt nur dafür da ist, die nächste Actionszene oder eine seltsame Storywandlung einzuleiten. Gerade Lois Lane (gespielt von Amy Adams) verkommt zu einem MacGuffin (eine beliebige Person oder ein Objekt, das nur dazu dient die Handlung voranzutreiben). Liebloser kann man mit der ikonenhaften Protagonistin nicht umgehen. Wer sich an solchen Dingen stört, wird mehrmals im Film aufschrecken und sich fragen: „Was sollte das denn jetzt?“. Das Drehbuch wirkt zu konstruiert und gleichzeitig viel zu gehetzt. Szenen folgen ohne Übergänge aufeinander und hinterlassen den Zuschauer mit Fragen zurück, auf die es im Film keine Antworten geben wird. Wie denn auch? Je weiter der Film voran schreitet, um so kürzer werden die Dialoge bis sie in einer pompösen abschließenden Actionsequenz völlig irrelevant werden.
Dies klingt nun alles sehr negativ. Doch der Film kann auch durchaus gefallen. Betrachtet man Man of Steel mehr als Science-Fiction Blockbuster, in dem man einfach die Action und die Effekte genießen kann, wird man nicht drum herum kommen Spaß zu haben. Das fängt bereits mit dem sehr langen Intro auf Krypton an, in dem man den Putsch von General Zod (gespielt von Michael Shannon) beobachten kann und wie Jor-El sein Leben opfert um seinen Sohn Kal-El mit dem Erbe seiner Rasse zur Erde zu schicken. Das Design Kryptons unterscheidet sich deutlich von der üblichen Art. Waren früher Kristalle der vorherrschende Rohstoff, sieht man in Man of Steel hauptsächlich Letzteres. Stahl und andere Metalle. Dies sorgt für einen geerdeteren, düsteren Stil und ein Science Fiction Fan verschlingt jede Sekunde mit vollem Genuss.
Zack Snyder hat in der Vergangenheit bereits zur Genüge bewiesen, dass er optisch überzeugen kann. So wird auch hier jede noch so kleine Actionszene ausgiebig zelebriert und lacht über alles, was in Superman Returns gezeigt worden ist. Die Kämpfe Supermans mit den anderen Kryptoniern sind ein absolutes Highlight. Auch, weil Snyder seine Regie weiter entwickelt hat. Wer glaubt, dass die übermenschliche Geschwindigkeit der Außerirdischen bestens geeignet sind um Zeitlupen ala 300 zu zeigen, wird im ganzen Film keine einzige Szene entdecken. Die Kämpfe werden schnell, gewaltig und brachial inszeniert. Snyder sorgt mit diesem stilistischen Mittel dafür, dass dem Zuschauer die große Macht der Kämpfenden bewusst wird und wie klein und chancenlos der Mensch danebensteht. Fans des aalglatten Supermans werden verwundert sein, wie viele Menschen unter dem Kollateralschaden zu Opfern werden, doch genau dies ist es, was diese Szenen zu einem Spektakel machen. Kal-El und Zod schlagen sich durch Hochhäuser und werfen mit Zügen aufeinander. Die Zerstörungsorgie erinnert ein wenig an Transformers und dass das Militär eine tragende Rolle zum Ende hin hat, verstärkt den Eindruck, ohne jedoch in Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Im Gegenteil. Solche Action will der Zuschauer in einem Superman Film sehen.
Wie ein solcher Endzeitkampf es möglich machen soll, jemals diesen Superman mit einem Batman in einem Justice League Film zusammen zu tun, ist vollkommen schleierhaft. Daher verzichtet der Film auch auf jegliche Cameos und belässt es bei namentlicher Erwähnung von Wayne Enterprise und Lexcorp. Auch ein Widererkennungswert anderer Art wird enttäuschend eingesetzt. Die neue Theme ist zwar deutlich vernehmbar aber schnell wieder vergessen und Meilen weit von einem John Williams entfernt. Es machte häufig den Eindruck als wäre Tron mit Dark Knight vermischt worden. So wird die Musik fast schon penetrant auf den Zuschauer losgelassen, ohne große Variationen oder Höhepunkte zu bieten. Das bedeutet nicht, dass sie schlecht ist, die meiste Zeit ist die Vertonung gelungen. Aber es bleibt das Gefühl zurück, dass es deutlich besser hätte werden können.
So bleibt zum Schluss also ein Film, der die Gemüter spalten wird. Superman wird ein wenig düsterer dargestellt, aber der Mut für eine deutliche Evolution wurde nicht aufgebracht. Freunde des Science-Fiction Spektakels und großen Action Bombast Kinos werden auf ihre Kosten kommen (8 Punkte), ohne dass der Film jemals an die humorvolle Art eines Avengers herankommt. Wer einen Superman im Stile eines Batman Begins sehen möchte, wird stark enttäuscht werden (5 Punkte) und sich an den Handlungslöchern und fehlender Charaktertiefe stören.