Trailer: We Live in Time (Andrew Garfield und Florence Pugh)

Presko

Don Quijote des Forums
Joa, gefällt mir eigentlich ganz gut. Gegen Ende wird der Pathos etwas arg dick aufgetragen und das Risiko besteht, dass der fertige Film auch zur Rührseligkeit neigt. Bin aber trotzdem erst mal gespannt und vorfreudig.
 

Presko

Don Quijote des Forums
Trailer hat mich eher skeptisch zurückgelassen, erste Kritiken haben dann wieder Vorfreude geweckt. Nun nach der Sichtung fällt mein Fazit leider wenig euphorisch aus.

In einer der ersten Szenen, wird Almut (Pugh) von einer Ärztin eröffnet, dass sie Eierstockkrebs hat und als Behandlung eine invasive Chemotherapie vor sich habe, damit eine Operation überhaupt infrage kommt, gefolgt von einer weiteren mehrwöchigen Chemotherapie. Kurz nach dieser Hiobsbotschaft kommt es zwischen Almut und ihrem Partner Tobias (Garfield) zum für den folgenden Verlauf zentralen Dialog, wo Almut ihm eröffnet, dass sie unsicher sei bzgl. der empfohlenen Therapie. Für sie bestünden nämlich zwei Optionen. Entweder invasive, schwerwiegende Chemotherapie, die mit viel Leid für alle verbunden ist, an deren Ende evtl. der Krebs nicht besiegt ist und sie ihre letzten Monate passiv und leidvoll miteinander vergeudet haben. Oder Option 2, sie entscheidet sich jetzt gegen die Therapie und sie kosten ihre letzten Monate miteinander noch einmal richtig aus. Und in dieser recht einfältigen Gegenüberstellung der scheinbar zwei Optionen liegt schon so ein bisschen mein Problem mit dem Film begraben. Es ist einfach eine kitschige Traumwelt, die uns da präsentiert wird, die komplett isoliert von den realen Gegebenheiten der meisten Menschen zu existieren scheint - wo es keine wirtschaftlichen, und sozialen Zwänge ausserhalb der eigenen Kleinfamilie und der Krankheit selbst gibt. Man ist frei darin zu entscheiden, Option A oder Option B - eine rein individualistische Entscheidung, die man selbst trifft.

Auch sonst wird uns hier eine Traumwelt vorgegkaukelt, wo keine wirtschaftlichen, gesellschaftlichen Zwänge oder irgendwas Politisches ne Rolle spielt. Almut ist Restaurantbesitzern und Haute-Cuisine-Chef, Tobias ist irgendein hohes IT-Männchen in nem grossen Unternehmen. Beide sind attraktiv und haben ein wahnsinnig liebevolles Umfeld, ein Kind, das nie trötzelt, traurig oder nervig ist, und die Hühner auf dem eigenen Hof legen auch brav die Eier, wenn sie grade mal was backen wollen. Sie leben in grossen, schön eingerichteten Wohnungen, später Landhaus. Jeder Raum, den sie betreten, ist perfekt warm ausgeleuchtet, alle Menschen, denen sie begegnen sind nett. Ein Paradies also, wäre bloss dieser doofe Krebs nicht. Wobei, ganz ehrlich, selbst der Krebs und die damit verbundene Chemotherapie zeigen in dem Film ihre hässliche Seite. Ja, mal schaut Almut etwas erschöpft aus, zwei-drei Mal wird gekotzt, aber selbst das tut dem Schönen dieser Welt keinen richtigen Abbruch. Nein, warum nicht das Beste draus machen. Seize the day. Man muss doch nur wollen. Also macht man aus der Chemo ein Happening für die junge Kleinfamilie, bei dem man sichsich auf einem grünen Hügel unter rosa erblühenden Bäumen versammelt, um der Mami in geteilter Harmonie den Kopf zu scheeren, durchs Haar zu fahren und die neue Kurzhaarfrisur zu bestaunen. So süüüüsss.

Der einzig grössere Konflikt entsteht, weil sich Almut entscheidet, trotz Krebs und Chemotherapie an einem internationalen Haute-Cuisine-Wettbewerb teilzunehmen. Ja, wirklich, während der Chemotherapie durchläuft Almut die ersten Qualifikationsrunden. Andere, normale Menschen, wären froh, nach so ner Behandlung noch aufrecht stehen zu können, sie zaubert unter höchstem (Zeit-)Druck irgendwelche perfekt abgeschmeckten Gerichte und trainiert dafür mehrere Tage die Woche. Man muss eben nur wollen. Das sind doch alles Looser, die nach ner Chemo flach liegen.

Der Film ist in der ersten Hälfte nicht-chronologisch erzählt, was ihm eine gewisse, willkommene Dynamik verleiht. Wobei er das gegen Ende dann fallen lässt. Er ist kompetent inszeniert und schafft definitiv ein paar Szenen, denen man sich emotional schwerlich entziehen kann - in den besten Momenten bricht er dann auch mal ein bisschen aus seiner cozy-Indie-Videoclipästhetik aus. Schauspielerisch ist das auch kompetent. Wobei Garfield und Pugh immer wieder dazu tendieren jedes Gefühl überdeutlich mit ihren Blicken auszudrücken. Insbesondere Garfield schaut einfach dauernd irgendwie gefühlig aus der Wäsche.

In der ersten Hälfte gibts dann auch noch Komödieneinschübe. Sei, dass wenn Tobias und Almut ihr erstes Date haben, nachdem Almut ihn angefahren hat, oder wenn sie, Almut hochschwanger, auf dem Weg ins Krankenhaus zugeparkt wurden und Tobias erstmal den Wagen irgendwie aus der Lücke rausmanövrieren muss. Auch hier: einfach too much. Das alles fühlt sich einfach nicht im geringsten authentisch an. Ganz schlimm empfand ich das bei den Szenen mit ihrer kleinen Tochter, mit der die beiden Leads einfach null Eltern-Kind-Chemie herzustellen vermögen, dass hat mich mehrfach komplett rausgerissen.

Wie gesagt eine Handvoll Szenen haben gut funktioniert. Ich fand das Ende gelungen, hier trifft der Film den richtigen Ton, auch wenn das Finale in Form einer emotionalen Entscheidung Almuts auch furchtbar verlogen daher kommt. bei dem grossen Haut-Cuisine-Wettbewerb zieht sich Almut nach Abgabe ihres Gerichts den Kochhut aus und läuft zu Mann und Kind und verlässt mit ihnen den Wettbewerb - hat sie sich schließlich eben doch für die Familie und gegen den persönlichen Ehrgeiz entschieden - natürlich erst nachdem sie bewiesen hat, dass sie trotz Krebs in der Lage ist, sich in so einem Wettbewerb zu beweisen.
 
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