Offiziell: Der Justice League Snyder Cut kommt! In 2021…

21. Mai 2020, Christian Westhus

Es geschehen noch Zeichen und Wunder. Nach Jahren des Wartens, mit langlebigem Onlineprotest, mit wilden Gerüchten, dreistem Getease, halben Rückziehern und vagen Andeutungen ist es nun offiziell beschlossene Sache: der SnyderCut von JUSTICE LEAGUE kommt. Die Anzeichen hatten sich in den letzten Tagen verdichtet, ehe nun die Verantwortlichen von Warner Bros., Streamingportal HBOMax und Snyder selbst mit Ankündigungen hervortraten, wie THR/Heat Vision berichten. Warum HBOMax? Nun, weil diese neue JUSTICE LEAGUE Version auf diesem zu Warner gehörenden und ab nächster Woche in den USA startenden Streamingdienst seine Premiere haben wird. Allerdings erst irgendwann 2021. (Und für die absehbare Zukunft wird HBOMax ein nordamerikanisches Portal bleiben. Die meisten HBO-Lizenzen liegen in Deutschland noch bei Sky. Wo dann JL fürs deutsche und europäische Publikum landen wird, ist bisher noch nicht bekannt.)

Rückblick:

Gehen wir etwas zurück. Was ist überhaupt passiert? Warum wird um einen vermeintlichen Director’s Cut so ein Wirbel gemacht? JUSTICE LEAGUE sollte für Warner Bros. Ende 2017 das erste große Gruppenhighlight und Status-Quo-Fazit des DC-Superheldenuniversums werden, sollte – und dieser Vergleich ist unvermeidlich – der erste eigene AVENGERS sein. Doch im März des Jahres, noch während der Dreharbeiten, erreichten tragische Umstände das Privatleben von Zack Snyder und seiner Frau, Produzentin Deborah Snyder. Der Selbstmord der Tochter ließ die Snyders erst eine Pause und dann Abstand vom Projekt nehmen. Ausgerechnet AVENGERS Regisseur Joss Whedon, damals in Vorbereitungen für einen inzwischen gestrichenen Batgirl Solofilm, sollte übernehmen, das restliche Script nach Snyders Vorgaben und Ideen verfilmen, das Projekt zu Ende führen. Doch aus den ursprünglich angedachten zwei, drei Wochen an verbleibenden Dreharbeiten wurden zwei volle Monate, mit neuen Kosten und größeren Veränderungen. So ließ Whedon nicht nur sofort Komponist Junkie XL gegen Danny Elfman tauschen, auch wurde das bestehende Script stärker verändert und zu großen Teilen neu verfasst. Seitdem halten sich unbestätigte Gerüchte und Vermutungen, bei WB sei man schon länger unzufrieden mit der kreativen Ausrichtung und der finanziellen Performance der Snyder DC-Filme gewesen, nahm die Umstände also zum Anlass, den seit mehreren Jahren ausschließlich für Warner arbeitenden Regisseur abzusägen. Fakt ist dabei nur, dass man beim Studio aus finanziellem Druck auf eine besser vermarktbare Laufzeit von knappen 120 Minuten bestand.

Als Regisseur von MAN OF STEEL, BATMAN V SUPERMAN und eben JUSTICE LEAGUE war Zack Snyder Gesicht und Macher des DC-Universums. Bei Warner Bros. wollte man den Regisseuren und Kreativen Vorrang gewähren, um ein ausdrucksstarkes Comicuniversum mit hoher Autorschaft zu kreieren. Seit jeher stießen Snyders Filme auf ein geteiltes Echo bei Publikum und Kritikern. Ja, auch beim Publikum, denn kaum ein Film abseits von 300 war ein wirklicher finanzieller Erfolg. Die 800+ Millionen von BATMAN V SUPERMAN lesen sich erst einmal ordentlich, ließen aber nicht wenige bei Warner unterwältigt zurück. Denn das erste große Aufeinandertreffen von Superman und Batman zielte eigentlich mindestens auf die berühmte Milliarde ab und nicht auf einen „ordentlichen“ Erfolg, welchen mittlerweile selbst Marvel-Kuriositäten aus der zweiten Reihe einfuhren. Doch als Macher von WATCHMEN, SUCKER PUNCH und den unbestreitbar idiosynkratrischen Versionen von MOS und BVS wurde Snyder ein großer Name und kleiner Held im Kreise von Comicfans, Nerds und Geeks. Eine Ausrichtung, die Snyder durch seine Social Media Präsenz noch verstärkte, indem er sich als Gleichgesinnter unter den Fans etablierte. Seine angeblich sklavisch-vorlagentreue Adaption von WATCHMEN war der bis dato größte Beweis für seine Glaubwürdigkeit als Geek, verstärkt noch durch massive Frank Miller „The Dark Knight Returns“ Anleihen in BVS. Snyder gab den DC-Fans einen visuellen Flair, den die Christopher Nolan BATMAN Filme nicht bieten konnten, und gab Comicfans generell eine Ausdrucksstärke in ihren Filmen, die man im häufig formgleichen Marvel-Universum nicht finden konnte.

© Warner Bros.

Der Lohn der Fans?

Diese Comicfans und Geeks formierten sich quasi schon direkt nach der Premiere von JL, ja eigentlich schon seit der Ankündigung, dass Whedon übernehmen sollte. Als der Film dann nicht nur ein nahezu komplett unbefriedigendes Werk wurde, die negative Umstände seiner Entstehung nur zu gut sichtbar, sondern mit einem weltweiten Kinoeinspiel von weniger als 700 Millionen Dollar (bei einem vermuteten Budget von annähernd 400 Millionen) auch noch finanziell enttäuschte, war die #ReleaseTheSnyderCut Bewegung geboren und wähnte ihre Ziele im Bereich des Möglichen. Nicht nur war ein Regisseur zweifellos um die Vollendung seines ursprünglich erdachten Werks gebracht worden, auch konnte das Studio unmöglich zufrieden mit dem sein, was es stattdessen erhalten hatte. Ob nun durch die wenig elegante temporäre Trennung von Snyder oder durch die finanzielle Enttäuschung, die konkreten Pläne für eine Fortführung des DC-Universums wurden zu den Akten gelegt. WONDER WOMAN und insbesondere AQUAMAN wurden zu eigenständigen Erfolgen, sollten und sollen in ihren weiteren Geschichten ohne zu direkte Verbindung zu BVS und JL gestaltet werden. Snyders Pläne mit Green Lantern, dem Martian Manhunter und Hauptschurke Darkseid? Inzwischen nur noch der Stoff aus dem Fan-Fiction gemacht ist.

Doch der SnyderCut kommt. Was auch immer das heißen mag. Snyder und Warner konnten sich wieder annähern und fanden einen Weg, um das vorhandene Material neu freizugeben und neu präsentierbar zu machen. Ja, dies ist unweigerlich auch (!) ein Verdienst von Fans, die seit zwei Jahren Onlineproteste veranstalteten, Petitionen organisierten und einen Hashtag (#ReleaseTheSnyderCut) ins Leben riefen, der in dieser Zeit angeblich zum am häufigsten geteilten Hashtag eines Warner Bros. Films wurde. Oder, wie Snyder mit leiser Ironie feststellt: „Es ist der am häufigsten getweetete Hashtag aller Zeiten für einen WB Film, aber es ist ein Film, den sie nie veröffentlicht haben.“ [“#ReleasetheSnyderCut is the most-tweeted hashtag about a movie that WB has ever made, but it’s a movie they’ve never released.”]

Es waren Fans, die häufig ihre Passion sprechen ließen, die in JL einen neuen BRAZIL und BLADE RUNNER sahen, die in kleineren und größeren Gruppen nicht selten auch zu regelrechten Hooligans der Onlinesphären wurden. Fans, die in ihrer aus Frust und Enttäuschung geborener Euphorie und Hoffnung zuweilen übermäßig euphorisch waren und manche Grundsätzlichkeiten des Filmgeschäfts unbedacht ließen. Auch Snyder selbst spielte ihnen in die Karten, betonte einen angeblich fertigen Schnitt, wohl wissend, dass „fertiger Schnitt“ unter Filmschaffenden ein vager und variabler Begriff ist, gierenden Fans aber als Signalfeuer Linderung und Wunscherfüllung verspricht. Fertig ist nicht „kinofertig“. Nicht ohne Grund soll es eben noch bis „Irgendwann 2021“ dauern, bis dieser angeblich seit 2018 fertige SnyderCut zu sehen sein wird.

© Warner Bros.

Was ist der Snyder Cut denn nun?

Knapp vier Stunden geht die Fassung angeblich, die Snyder in einer ersten Vorführung für die Verantwortlichen von Warner, HBOMax und Provider AT&T bereitgestellt hat. Zwischen 20 und 30 Millionen, heißt es, werden für die Fertigstellung der Postproduktion veranschlagt, für Ton, Musik, Schnitt und insbesondere Effektarbeit. Denn das ist so ein Punkt: ein fertiger Schnitt ergibt noch keinen fertigen Film, besteht bisher noch aus Temp-Sequenzen, einem groben Grundschnitt, unfertigen Effekten und sichtbarem Green- und Blue-Screen. Ganz abgesehen davon, dass eine 4-Stunden-Fassung von JL selbst unter idealen Umständen niemals das Licht einer Kinoleinwand erblickt hätte, kann man nur spekulieren, wie viel zur Fertigstellung des Materials wirklich fehlt, wie viel 20 bis 30 Millionen leisten können und was „fertig“ überhaupt heißen soll. Die Snyders deuteten an, dass man die Hauptdarsteller der JL, Ben Affleck, Henry Cavill, Gal Gadot, Jason Momoa, Ezra Miller und Ray Fischer, zumindest für Tonaufnahmen noch einmal ins Studio bekommen könnte. Tatsächliche neue Dreharbeiten sollen, so heißt es, nicht stattfinden. Und wir erinnern uns: Snyder konnte damals nicht alle Szenen drehen, die er laut Script und Vorproduktion geplant hatte. Es ist möglich, dass diese Ideen mit Storyboards, Konzeptzeichnungen und Pre-Viz Animationen kompensiert, vielleicht aber auch komplett fallen gelassen werden. Zumindest darauf einstellen sollte man sich. Ebenso wie einfach unweigerlich zumindest die Möglichkeit für Zack Snyder im Raum steht, auf das Reaktionsecho der JL Kinoversion zu reagieren und auf seine Version anzuwenden.

Noch ist man sich bei Warner, HBOMax und Konsorten gar nicht richtig sicher, in welcher Form man diesen Film überhaupt präsentieren will, ob es überhaupt ein Film bleibt. Vielleicht hat es sich schon rumgesprochen, aber Leute lieben Serien. Wenn man dann 4+ Stunden Material zur Verfügung hat und auf einem Streamingportal Premiere feiert, warum Snyders JUSTICE LEAGUE also nicht zur sechsteiligen Serie machen? Diese Möglichkeit wird nun konkreter diskutiert und besprochen, während man sich offiziell an die Nachbearbeitung und Ausrichtung des Films macht.

Die Aussicht, Snyders JUSTICE LEAGUE als sechsteilige Miniserie präsentiert zu bekommen, erscheint besonders interessant und könnte besonders hilfreich bei der Frage sein, warum sich Warner diese Blöße geben will, warum sie entweder viel neuen Wirbel um einen immer noch nicht wirklich vorzeigbaren Film machen oder warum sie ihr Scheitern und ihren ruinösen Umgang mit einem Vielleicht-Meisterwerk derart öffentlich machen sollten. Als Appetitanreger zum Start von HBOMax reicht es für JL zeitlich nicht, doch sechs Episoden wöchentlich ausgestrahlt verpflichten irgendwann 2021 dennoch ausreichend Leute zu gleich zwei Monaten im Abo. So hatte es ja auch Disney+ gemacht, die die Ausstrahlung von THE MANDALORIAN – die so ziemlich einzige neue Serie zum Start des Senders – ebenfalls auf zwei Monate streckten.

© Warner Bros.

Was lernen wir daraus?

Doch selbst für diese etwas zynische – aber sicherlich nicht aus der Luft gegriffene – Sichtweise hat Snyder eine Alternative parat und lobt Warner Bros., sie wären ihrem Ruf als Filmemacher-freundliches Studio gerecht geworden. Wie erwähnt war dies damals ein großer Marketing Kniff, der das von visionären Filmemachern aufgebaute DC-Universum vom gleichgeschalteten Konzernfabrikat namens MCU unterscheiden sollte. Und ja, der Umgang mit Snyder und auch Whedon hat der Glaubwürdigkeit dieses Rufs enorm geschadet. Warner tut gut daran, diese Risse zu kitten. Doch weniger raffgierig und kalkulierend als Disney zu sein, macht aus WB noch lange keinen himmlischen Hafen für frei lebende Filmkünstler. Entwicklungen wie die HOBBIT Filme und die Person Guillermo del Toro, die kreative Gleichschaltung der HARRY POTTER Welt, die nur äußerst zögerliche Vertragsverlängerung und -anpassung mit WONDER WOMAN Regisseurin Patty Jenkins und in Nuancen auch das DCEU an sich – all dies unterstreicht, dass selbst das angeblich Filmemacher-freundlichste unter den großen US-Studios am Ende des Tages doch in erster Linie Geld verdienen will.

Das muss Fans nicht interessieren. Sie haben nun diese einzigartige und unbestreitbar spannende Gelegenheit, eine vierstündige „Deleted Scenes“ Sonderfassung eines Films zu sehen, dadurch vielleicht auch Feinheiten im Entstehungsprozess eines modernen Franchise Blockbusters zu erhalten. Im großen Businesswirrwarr Hollywood geschieht wohl kaum etwas aus reiner Nächstenliebe und Spendierlaune, wenn nicht irgendwie auch Big Dollars involviert sind. Fans und Zuschauergruppen haben eine gewisse Macht bzw. können diese Macht über Social Media und Co. ausüben, darin aber auch Gefahr laufen, die eigenen Ansprüche im Entstehungsprozess eines Films vollkommen zu überschätzen. Schon der Weg von #ReleaseTheSnyderCut hat gezeigt, dass aus dem ehrlichem Unmut bei manchen Fans auch schnell anmaßendes, feindliches und zerstörerisches Fan-Entitlement werden kann, ein unbeherrschtes „Mir steht X zu“ Anspruchsdenken. Es wird wichtig sein, die Errungenschaft des SnyderCuts, der weitaus mehr ist als nur die Sonderfassung eines Films, richtig einzuordnen, sowohl aus Sicht der Studios, aber auch aus Sicht der Fans.

Auch die BG Community spricht seit zwei Jahren und mehr von Justice League, vom Snyder Cut und mehr. Schau mal nach, was unsere Leser von dieser Sache halten.

Autor: Christian Westhus

Ein echter Ostwestfale. Gebürtig aus einer kleinen Doppelstadt, die niemand kennt, studierte Literatur in einer Stadt, die es angeblich nicht gibt (Bielefeld). Arbeitet seit 2006 für BereitsGesehen, schreibt Kritiken und Kolumnen, gehört zum Podcast Team und ist einmal im Monat beim KultKino in Lippstadt zu sehen.

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