Ja da muss man eben etwas konsequenter abends sein, wenn man morgens fit sein möchte.
Also dann gehe ich mal durch, was ich so gesehen habe. War von Samstag bis einschließlich Donnerstag dort. Wie schon ein paar Beiträge zuvor angedeutet, hat es für mich dieses Jahr leider kein wirkliches Highlight gegeben. Wobei ich wohl das ein oder andere Highlight wohl unbewusst umschieft habe. Den beispielsweise vielerorts gelobten kolumbianischen Genre-Beitrag MONOS hatte ich beispielsweise nicht auf dem Zettel und mich demnach auch nicht um eine Karte bemüht. Bei SYSTEMSPRENGER war ich dann schon eher zu spät dran, da dieser schlichtweg nicht mehr gezeigt wurde, zu der Zeit, in der ich da war.
Begonnen hat es bei mir Samstagabends mit der PV von DER GOLDENE HANDSCHUH. Diese wurde spontan noch angesetzt, nachdem sich scheinbar Nachmittags, als es schon zwei parallele PVs gab, die Presse wohl schon um Plätze geschlagen hat. Bin bei dem Film auch noch sehr zwiegespalten und frage mich, was Fatih Akin an dem Film wirklich gereizt hat, denn dramaturgisch ist der Film sehr simpel gestrickt nd inhatlich verläuft vieles im Nichts bzw. ist sich der Film dann auch nie sicher, was er eigentlich will und sein möchte. Bei AUS DEM NICHTS rettete sich Fatih Akin für seine drei klar abgetrennten Stücke noch mit Mustern und Tropen von bestimmten Genres, hier aber scheint er nicht wirklich einen Anker bzw. Faden zu finden. Die Gewalt, ob nun im Off oder zu sehen ist hart, ja, aber ein Mehrwert entsteht da kaum. Darstellerisch gibt es aber nichts auszusetzen.
Es folgte OUT STEALING HORSES, ein skandinavischer Wettbewerbsbeitrag von Hans Petter Moland (EIN MANN VON WELT), mit u.a. Stellan Skarsgard, dessen Jugend Ende der Vierziger Jahre in Rückblenden erzählt wird, als er einen Sommer mit seinem Vater in einer Hütte verbracht hat. Teilweise stark eingefangenes Drama, mit einfühlsamen Score, wo nur der Einbezug der NS-Vergangenheit etwas lose hängt.
BRECHT von Heinrich Breloer mit Tom Schilling als der junge Brecht und Burghart Klaußner als älterer Bertolt Brecht. Der Film besteht aus zwei 90-minütigen Teilen, die hier mit kleiner Pause am Stück gezeigt wurden. Ab dem zweiten Teil ist dann nur noch Burghart Klaußner als Brecht zu sehen, was anfangs ein ziemlicher Bruch ist, da dieser Wandel ziemlich unvorbereitet daherkommt. Der Nebeneffekt ist dadurch nur, dass man die NS-Zeit eigentlich fast überspringt. Mag der Verdrossenheit und Müdigkeit der Zuschauer dieser Zeit gegenüber zuzusprechen sein, allerdings war Brechts Leben zu diesen Zeiten ja auch nicht unbedingt uninteressant und wird zumindest in Teilen durch kurze Rückblenden noch erwähnt. Der Film ist als Doku-Drama gestaltet, was heißt, dass es auch immer wieder Intervieweinschübe mit den tatsächlichen, noch lebenden, Wegbegleitern Brechts gibt. Diese Herangehensweise kennt man von Heinrich Breloer ja nur zu gut und sie funtkioniert hier auch weitesgehend ganz gut, ohne einen immer wieder aus den Film zu reißen. Die Produktion ist eigentlich fürs Fernsehen entstanden und leider merkt man das dann doch an der einen oder anderen Stelle. Das wofür das Brecht'sche Theater stand und noch heute steht, wird wohl im zweiten Teil auch thematisiert, aber eher beiläufig, anstatt es auch am Film selbst beispielsweise zu erproben. Generell ist die Dramaturgie sehr klassisch ausgelegt und hakt eben Brechts Biografie größtenteils Punkt für Punkt ab. Diese war dann eben auch durch viele Liaisons mit den verschiedensten Damen geprägt, die dann eben auch nicht zu kurz kommen dürfen. Wann die Ausstrahlung im Fernsehen ist, kann ich gar nicht sagen, sollte aber bald sein.
DER BODEN UNTER DEN FÜSSEN von Marie Kreutzer, war ein Wettbewersbeitrag aus Österreich, der einen aber unterwältigend zurückließ. Es ist die schon oft erzählte Geschichte der modernen, jungen Frau, die zu viel arbeitet und hier dann noch eine Schwester hat, die dringend ihre Unterstützung benötigt. Das Problem des Films ist, dass er dieser ganzen Thematik nichts Neues abgewinnen kann. Irgendwelche neue Ideen, und seien es nur dem einen Genre entlehnte Doppelbödigkeit der Hauptfigur oder ihrer Wahrnehmung werden leider nicht probiert.
Jonah Hills MID90s, der ja hierzulande nur einen limitierten Kinostart haben wird und dann flott im Heimkino erscheinen wird, war dagegen eine positive Überraschung. Stevie ist 13 Jahre alt und lebt Mitte der 90er Jahre in Los Angeles. Zu Hause ist seine fürsorgliche alleinerziehende Mutter (Katherine Waterston) zuweilen durch Zeit- und Geldmangel überfordert mit ihm und seinem älteren Bruder Ian (Lucas Hedges). So findet der Jüngste der Familie in diesem Sommer Anschluss bei einer Gruppe Jugendlicher, die er in einem Skateshop an der Motor Avenue kennenlernt. Klingt nach dem klassischen Sommer voller Abenteuer, der nachdem die 80er Jahre ausreichend von Filmen und Serien abgegrast wurden, nun in die 90er Jahre versetzt wurde um den nostalgischen Geist dieses Jahrzehnts bei den Zuschauern zu erwecken. Und ja da fährt die Kamera über SNES-Controller oder Stevie spielt mit seinem Bruder an der ersten PlayStation – wer dabei auf die Hände der beiden achtet, wird feststellen, dass Lucas Hedges wohl noch nicht viele Videospiele gespielt hat und es scheint, als ob sie völlig andere Games am Spielen sind – und zentral ist als Freizeitaktivität das Skateboarden. Dem konnte sich angetrieben von der Skateboard-Ikone Tony Hawk und den Videospieladaptionen wohl kaum jemand entziehen, der in diesem Jahrzehnt aufgewachsen ist. Doch Jonah Hill – der wohl SUPERBAD (2007) an einem unterschätzten Film beteiligt war, der wohl den 2000er Jahre ihren Coming-Of-Age Film gab – verlässt sich aber nicht nur auf diesen Nostalgie-Faktor, er schrieb auch das Drehbuch, sondern schafft interessante Figuren. In der Gruppe um Ray, Fuckshit, Ruben und Fourth Grade hat jeder seine eigenen Probleme und Träume, die sie nicht zu einfachen funktionalen Nebenfiguren degradieren. Selbst Lucas Hedges‘ Ian bekommt eine Vielschichtigkeit, so dass man hier gerne mehr von jeder Figur erfahren würde, wenn wir auch nie in die eigentlichen zu Hause der anderen Jugendlichen gehen werden. Nun sind es auch wiederum nicht intakte Familienstrukturen, die auch die 80er-Abenteuersommer prägten, doch Jonah Hill erzählt dies so charmant, sympathisch und ehrlich, dass man ihn diesen Kniff nicht verzeihen muss, sondern ihn als unabdinglich für sein Vorhaben anerkennen muss.
Wieder aus dem Wettbewerb war THE OPERATIVE mit Diane Kruger und Martin Freeman. Leider ein Agententhriller, der sehr beliebig und austauschbar wirkt und erst in den letzten fünf Minuten wikrlich Fahrt aufnimmt und Interesse an seinen Charakteren findet. Davor werden Abläufe einfach durchexerziet, ohne das man emotional davon irgendwie berührt oder mitgerissen wird. Schade.
MR. JONES von Agnieszka Holland erzählt von einem walisischen Journalisten der 1933 Russlands Politik hinterfragt und in den Ukraine auf die Antwort seiner Frage kommt, wie Russland wirtschaftlich so stabil bleiben kann. Die 140 Minuten merkt man dem Film nicht wirklich an, im positiven Sinne, und die Umstände der Ereignisse wird man wohl aus aktueller Sicht noch interessierter betrachten, wenn auch es mal wieder ein Historienfilm aus den 1930ern ist, der mehr aufgrund seines historischen Hintergrunds interessant, für das die Figuren mehr nur Staffete sind.
VICE gab es dann in Anwesenheit von Christian Bale und Adam McKay. Steht vom Unterhaltungsfaktor her THE BIG SHORT in nichts nach und die darstellerischen Leistungen, allen voran eben Christian Bale sind grandios. Und da geht es dann nicht nur darum, dass er sich da ein paar Kilo angegessen hat, sondern was er mit seiner Stimme, Mimik und Gestik macht ist schon eine große Leistung. Klar, man kann den Film aufgrund seiner Simplifizierung amerikanischer Politik kritisieren, doch sollte man eigentlich jeden Film sowieso nochmals hinterfragen, als alles für bare Münze zu nehmen, was man vorgesetzt bekommt.
GHOST TOWN ANTHOLOGY aus Kanada erzählt von der Rückkehr von bereits Toten in einem kleinen, verschneiten und entlegenen Dorf. Alles beginnt mit dem Tod eines jungen Mannes, dessen Bruder und Eltern anfangs unter dem Verlust leiden. Der Film entwickelt in der Folge einen reizvollen Mix aus Mystery und Drama, auch wenn er gegen Ende vieles offen lässt, lebt aber eben von seiner Atmosphäre.
Auf der Berlinale gibt es auch immer die Sektion 'Lola at Berlinale' bei dem innerhalb der Festivalwoche alle Filme der Longlist, die alle Filme beinhaltet, die für den Deutschen Filmpreis vorgeschlagen wurden, jeweils zweimal gezeigt werden. Dort hole ich meistens gerne immer ein paar Titel nach. So diesmal 303 von Hans Weingartner, der mich ein wenig enttäuschte, ob seinem generischen Inhalt, den ich jetzt angesichts der langen Vorproduktion unterwältigend fand. Mit DAS ENDE DER WAHRHEIT gab es dann wie letztes Jahr mit DER HAUPTMANN oder STEIG. NICHT. AUS. auch einen Film zu sehen, der seinen Bundesstart noch vor sich hat. Ein hochspannender Thriller, den ich wärmstens weiterempfheen kann, mit u.a. Ronald Zehrfeld als BND-Agent, der so alle aktuellen politischen Brandherde aufnimmt und zu einem lohenswerten Narrativ über die aktuelle Lage formt.
to be continued...