Identifikation mit Spielfiguren

Beckham23

Well-Known Member
Vorwort
Über youtube schaue ich sehr viele Vorschau- und Testvideos zu Computerspielen, wobei von den Testern*innen meist ein Vergleich bezüglich "Identifizierung zur Spielfigur" gezogen wird. Ich habe diesen Thread gestartet um meine transidente Sichtweise bezüglich des Themas zu schildern und würde auch gerne eure Meinung dazu lesen.

Für meine Gedanken habe ich folgende Spiele gewählt:

Tomb Raider

Die ersten Tomb Raider-Spiele boten, für die damalige Zeit, etwas besonderes - eine weibliche Spielfigur. Jetzt müsste man meinen, daß dieser "Schachzug" nur Mädels vor die Monitore zog, weil endlich auch mal an Spielerinnen gedacht wurde. Die eigentliche Idee dahinter sah eher so aus, daß pubertierende Jungs, bzw. eine allgemein-männliche Spielerschaft angesprochen werden sollte. Warum? Lara Croft steuerte man "übersichtlich" von hinten und hatte so immer einen Blick auf eine leichtbekleidete Lara, die auch mit Waffen umzugehen wusste. Die Verkaufszahlen haben gezeigt, wie lohnenswert diese Entscheidung war. Ich würde nicht so weit gehen und dies (ganz und gar) sexistisch (mit stetigen Blick auf einen wohlgeformten Popo...) zu bezeichnen, aber als Spielerin würde ich mich mit einer Lara in dieser Form nicht identifizieren. Bei den letzten 3 Tomb Raider-Spielen scheinen auch die Entwickler Erwachsen geworden zu sein, denn man spielt nun eine reife Lara die zwar nun optisch viel hübscher erscheint, aber auch passende Kleidung trägt - APPLAUS!
Mir haben diese Spiele super gefallen, zudem bringt der Aspekt der Verbundenheit zu ihren Freunden, einige Dramaturgie in die Handlung, plus der Wille an Hilfsbereitschaft macht aus der taffen Abenteuerin eine Frau die man zu Hause am PC gerne spielt!


Witcher 3
Ist für mich eines von zwei der besten Spiele, die ich jemals gespielt habe. Gerald ist zwar die Hauptfigur, mein Fokus fiel jedoch eher auf die weiblichen Figuren - allen voran Ciri. Mensch hatte ich mir damals ein Ciri Add-On gewünscht, ich wollte unbedingt mit ihr eigene Abenteuer erleben - die kurze "Spielübernahme" in Witcher 3 war da nur ein kleiner Appetithappen. Aber auch andere weibliche Figuren wie Yennefer, Triss oder Keira Metz waren toll geschriebene Charaktere die sowohl stark, sympathisch aber auch verführerisch waren und den lieben Gerald mit ihren Reizen ziemlich um den Finger wickeln konnten. Als harter Hexer, mit Narben auf der Haut die alle eine Geschichte erzählen, langen Haaren und ausufernden Bartwuchs durchs die Welt zu reiten, wird das typische Bild eines männlichen Kämpfers vermittelt, das einen auch als Spielerin anzieht. Aber nicht nur das, Gerald ist von der Persönlichkeit her herzlich, zuvorkommend und irgendwie immer auf der richtigen Seite stehend - so einen Mann muß man als Frau einfach gern haben. :top:


GTA 5
Nummer 2 meiner besten Spiele ist GTA 5, allerdings nicht in allen Belangen. Was Spielwelt, einzelne Missionen und Zugänglichkeit (man kann jede Mission immer wieder spielen...!) betrifft, ist das Spiel einfach ein Traum. Die negative Seite betrifft für mich klar die spielbaren Charaktere. Trevor ist ein absoluter Widerling mit dem ich als Frau unterwegs nicht mal ein Wort wechseln würde (vielmehr so schnell es geht die Straßenseite wechseln würde...), Franklin der typische schwarze Ghetto-Junge ist für mich auch kein Typ den ich spielen möchte und Mafioso Michael versprüht wenigstens einen kleinen Teil an Charm. Welchen Teil nehmen Frauen im Spiel ein - Zicken, Prostituierte,...:cursing: In dieser Sicht und von der Handlung her kann man das Spiel, zumindest aus weiblicher Sicht, stark kritisieren und Begriffe wie Sexismus oder Frauenfeindlichkeit in die Runde werfen. Ich fand es schlicht furchtbar einen Typ wie Trevor spielen zu müssen. Bei drei spielbaren Figuren bleibt die Frage, warum kein Platz für einen weiblichen Charakter war...?!? GTA 5 ist ein großer Männerspielplatz, wo ich mir als Spielerin eine weibliche Figur gewünscht hätte. Aber wie hätte diese in eine solche Geschichte gepasst? Wäre sie dann auch mordend und schießend durch die Spielwelt gezogen? In wie weit hätte sie das von ihren männlichen Figuren unterschieden? Vielleicht ist GTA auch eine Reihe wo eine Frau mit "solider Basis" nicht reinpasst. GTA 6 wird es wohl zeigen, denn es soll eine weibliche Figur spielbar sein...👍


Cyberpunk 2077
Ein Spiel mit Charaktereditor, bei dem man sich seine Figur komplett (inkl. Geschlechtsteilen) selbst zusammenstellen kann, ist in Sachen Eigen-Identität schon etwas Besonderes. Erstmals konnte ich mich selbst in ein Spiel integrieren und sowohl optisch, wie auch körperlich in eine Spielfigur versetzen. Allerdings nützt das wenig, wenn im Spiel selbst daraus nichts gemacht wird. Es spielt überhaupt keine Rolle welchen Charakter man erstellt - es bleibt in der Handlung ohne Belang. Auch die Freundschaften/Beziehungen werden nur sehr oberflächlich bedient - man kann nun eine homosexuelle Beziehung führen? Ja, das geht, aber mehr als eine Randnotiz findet das im Spiel keine Beachtung. Selbst das Hochleveln unterscheidet sich von anderen Spielen nicht - ok, das ist jetzt kein Fehler, aber da man seine Figur nie von "außen" sieht, baut man auch keine Verbindung auf. Durch die Egosicht in Zwischensequenzen sprechen die Charaktere nicht zu meiner Spielfigur, sondern direkt zu mir, also dem Spieler*in der vorm PC sitzt. Was mich zu folgender Frage führt: für was benötigt man dann einen Charaktereditor?


Und dann wären noch Spiele, bei...
...denen man gänzlich auf irgendwelche "Identitätsspielchen" verzichtet und sich rein auf den Spaß fokussiert. Ich spiele sehr gerne Actionspiele, wo es mir völlig egal ist, welche Spielfigur ich als Spielerin übernehme. Die CoD-Reihe mit ihrer pausenlosen Actiondröhnung ist ein spielbarer Michael Bay-Film, Rage 1 hatte mir damals super gefallen und auch an Teil 2 mit seiner simplen offenen Welt hatte mir viel Spaß bereitet - einfach Knarre in die Hand und ab in den Kampf...! Das erste Far Cry hatte mich damals von den Möglichkeiten umgehauen, Crysis glänzte mit einer umwerfenden Grafikpracht, aber auch nervenden und viel zu quirligen Aliens - verdammt, ich habe die nie richtig vor die Flinte bekommen...:headbash: Beim Euro/American Truck Simulator kann ich entspannt Ladungen von A nach B liefern, während ich durch eine interessante Spielwelt tuckere und bei Nascar Heat 3 und Assetto Corsa klemme ich mich hinter mein Lenkrad und kämpfe um Platzierungen. Dabei stelle ich immer wieder fest, daß Frauen doch die besseren Fahrer sind...:thumbsup::tongue::thumbsup:


Fazit
Spiele ermöglichen uns in fremde Welten einzutauchen und die irrwitzigsten Abenteuer zu erleben, dabei wird mal als Spieler*in schnell in die Handlung gezogen und fühlt sich mit der Spielfigur auf enge Weise verbunden. Spiele mögen uns dabei gerne vergaugeln, daß man sich mit dem spielbaren Charakter identifiziert, aber in wie vielen Fällen trifft das auch zu 100% zu? Ich glaube, daß die wenigsten von uns jemals eine Waffe in der Hand hielten, geschweige denn überhaupt mal einen Schuß abgefeuert zu haben - wie soll man sich da mit einer Figur (bsw.) aus CoD identifizieren? Eigentlich funktioniert das nicht, vielmehr ist es eine Vorstellung davon, solch ein Abenteuer als taffer Kämpfer*in zu erleben, ohne selbst dabei überhaupt ins Schwitzen oder Gefahr zu kommen. Niemand von uns möchte aktiv in einem Krieg kämpfen, aber dennoch fesseln uns solche Szenarien stundenlang vor den Monitor.

Spiele mit Entscheidungsfreiheit, in Dialogen oder Handlungen, fallen dann schon eher in das Konzept der Identifikation, denn man entscheidet selbst den weiteren Verlauf der Geschichte, was uns Spieler*innen in die komfortable Position des "Mittendrin" versetzt. Leider schaffen es noch zu wenige Spiele, wirklich durch unsere Handlungen so manche Geschichte nach unserem Gunsto in bestimmte Richtungen zu leiten. Dennoch macht es Spaß in Dialogoptionen zu grübeln, was man seinem Gegenüber antwortet - denn diese Entscheidungen trifft man selbst und muß dann mit dem Resultat in der weiteren Handlung klarkommen.

Jennifer
 

McKenzie

Unchained
GTA fußt halt in einer bestimmten Gangsterschiene, deren Klischees aufgenommen und hier und da bewusst überhöht werden. GTA 5 ist zu großen Teilen vom Film Heat inspiriert, Vice City baut seine Handlung und seine Charaktere auf Carlito's Way, Scarface und Miami Vice auf. GTA 4, das meiner Meinung nach die beste Story hatte, legt den Fokus auf arme, kriminelle Ostblock-Einwanderer, die tendenziell auch ein eher patriarchisches Weltbild haben. Und ja, bei vielen dieser Filme nehmen Frauen solche Rollen ein, die Mafia- und Gangster-Szene ist per default eher männlich-toxisch geprägt. Wenn man das nun als Grundlage für seine Game-Version mit satirischen Elementen nimmt, kommt man kaum drum rum es ähnlich anzugehen. Ansonsten würde man das "Flair" das die Szene ausmacht verwässern. Auch wenn es ein negatives Flair ist, aber Gangster und Mafiosi sind ja halt leider keine Vorbildfiguren. Sprich, auch ich als Mann fühle mich von keinem der drei Charaktere in GTA 5 repräsentiert und das isr auch gut so, ansonsten sollt ich wohl mein Leben überdenken 😅 Dennoch könnte man natürlich auch mal einen weiblichen Charakter in diese Szene setzen, das Konfliktpotenzial könnte es interessant machen wenn gut geschrieben.
 

Joker1986

0711er
Ich für mich brauche keine Identifikation mit der Spielfigur.
Meistens erstelle ich sogar weibliche Avatare, wenn ich die Wahl habe. Da ein großteil der Hauptfiguren männlich ist, müssen dann die, bei denen ich freie Wahl habe nicht auch noch männlich sein.
So zum Beispiel aktuell bei Pokemon Smaragd, das ich grade wieder spiele, meine Diana Sheppard in der Mass Effect Trilogie oder meine weibliche Elfin bei Dragon Age Origins.
Ich erlebe meistens das Spiel MIT der Hauptfigur und nicht ALS die Hauptfigur.

Bei Sportspielen wiederum (FIFA, NBA 2K, Madden) erstelle ich im Karrieremodus immer einen Manager mit meinem Namen.
 
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