Das "Buzz" Argument, das Clive einbringt, macht für mich am ehesten Sinn. U.a. weil ich es auch an mir selbst spüre, wie hier und da deutlicher über Serien geredet wird. Ich persönliche beziehe mich da noch nicht so wirklich auf den jeweiligen Sender, aber ich kann schon sehen, wie "eine neue HBO/Showtime/AMC Serie" unabhängig vom Serieninhalt für Interesse sorgt, wenn man da mehrmals gut mit gefahren ist.
@Woodstock
Aber können wir bei einer Figur wie Barney von HIMYM wirklich von Charakterisierung sprechen? Der war doch zumindest die ersten vier, fünf Staffel eine absolut eindimensionale Figur. Eine enorm witzige Figur, aber eben als Charakter nicht wirklich spannend. Eine Figur wie Barney ist für Serien super nützlich, da man ihn sofort mag (wenn man ihn mag) und sofort einsortieren kann. Ergo hat man bei jeder neuen Folge dieses Element des Vertrauten, das sich so schnell auch nicht ändert. Und wie gesagt, ein Walter White, ein Don Draper oder was weiß ich, das sind natürlich gute Figuren, die gut geschrieben, gut entwickelt und gut gespielt sind, sich zudem eben nicht mit einem Satz zusammenfassen lassen. Aber die Laufzeit einer Serie, ob 20 Minütige Sitcom oder 45 minütige Drama Serie, sind kein Automatismus dafür, dass die Figur charakterisiert wird. Nur weil wir die Figur lange verfolgen und sehen, wie sie verschiedene Dinge erlebt, macht das die Charakterisierung nicht zwangsläufig besser oder tiefergehend. Wie McKenzie sagt, in Serien passiert mehr und passiert es häufiger, aber es sind zwangsläufig auch mal Wiederholungen und Alltägliches. Nicht falsch verstehen, ich sehe den Reiz, den serielles Erzählen hat und habe auch schon mehrfach gesehen, wie das gut genutzt wurde, aber häufig genug denke ich mir auch, dass man die charakterliche Entwicklung der Figur statt in ein, zwei Staffeln auch in 90 Minuten hätte durcharbeiten können. Serien (manche (!) Serien) sind auch wesentlich offensichtlicher und handlungsfixierter darin, während man bei (guten) Filmen [Ist ja auch da kein Automatismus] noch mehr die Filmsprache einsetzt, um mehr zu sagen, als in einer Handlungsszene auf dem Papier eigentlich möglich ist. Diese Filmsprache gibt es natürlich auch in Serien, aber Filme sind stärker drauf angewiesen und nutzen sie dadurch auch häufiger, regelmäßiger und oftmals auch spannender.
Was deine Frage nach Beispielen betrifft, habe ich zuvor schon welche genannt. Du darfst ruhig ein paar Posts zurücklesen, bevor du reagierst.
Wurzelgnom schrieb:
Keine Ahnung wer hier Gewohnheit mit Charakterisierung verwechselt. Den meisten Leuten (zumindest hier im Forum) ist es durchaus bewusst, dass einige ihrer Lieblingsserien eher zweifelhafte Qualität haben.
Ich habe niemanden hier direkt damit angesprochen. Wer sich angesprochen fühlt, darf einfach mal selbst überprüfen, wie er dazu steht. Habe ich auch schon gemacht. Ich meinte es allgemein.
Dein Einwurf mit den Seifenopern bestätigt mich eigentlich darin, dass es hin und wieder (!) mehr Gewohnheit, als echte Charakterisierung ist. Man entwickelt Figuren und lässt die laufen, schickt sie in Abenteuer, neue Situationen, neue Probleme, was immer der Plot gerade hergibt. Nur weil etwas ewig lang läuft und der Charakter ganz viel erlebt, ist der Charakter noch lange nicht wirklich charakterisiert oder ein faszinierender Charakter. Und das sage ich als jemand, der als Kind fast zwei Jahre lang mit der Mama "Marienhof" geguckt hat.
Regelmäßigkeit bietet zwar die Möglichkeit, viel mit der Figur zu machen, überschattet aber auch teilweise, was wirklich geleistet wird.
Dass ein Charakter wie Dexter reizvoll ist, sehe ich ja ein. Hat mich ja auch angesprochen. Dass es mich nicht ausreichend gereizt hat, bisher mehr als die erste Staffel zu gucken, ist ja egal. Ich kann verstehen, warum eine Figur wie Dexter neugierig macht. Auch spreche ich dem Serienformat durchaus Vorteile zu, den Werdegang einer solchen Figur besser darstellen zu können, aber einem Film spreche ich diese Möglichkeit im Umkehrschluss auch nicht ab. Und du sagst es ja selbst, dass es irgendwann dann doch "Gewohnheit" ist, warum man bei einer Serie bleibt, auch wenn die Figuren und die Handlung auf der Stelle treten.
Aber auch wenn ich dich eigentlich nicht so wirklich kenne, möchte ich behaupten, dass doch eigentlich niemand "so gut wie alles gesehen" hat. Ich möchte da nicht nachbohren, was du gesehen und nicht gesehen hast, aber in fast 120 Jahren Kinokultur und 60, 70 Jahren Fernsehkultur kann man doch kaum alles gesehen haben. Im wörtlichen Sinne schon mal gar nicht und selbst was Themen, Charakterstereotypen und Handlungsmechanismen betrifft nicht. Man muss nur suchen. In Filmen UND Serien.