Meine Klassikerphase hat mich nun von Italien nach Japan geführt, wo ich mich endlich mal an zwei einschlägige Klassiker gewagt habe.
Rashomon von Akira Kurosawa (1954)
Habe schon so viel von dem Film gehört, und fand, nun ist es endlich mal Zeit, mir den anzuschauen. Erneut hat mich der Film insbesondere auf seiner visuellen Ebene begeistert. Wunderschöne s/w- Bilder - sehr poetisch, melancholisch. Wofür Rashomon aber natürlich besonders bekannt ist, ist seine Erzählstruktur. Ein Verbrechen wird aus vier unterschiedlichen Perspektiven erählt, jedes Mal etwas anders, und die Frage, was nun die Wahrheit ist, wird immer unklarer. Während ich das erste Drittel zeitweise etwas dröge fand (was auch mit der Figur des Ganoven zu tun hat, der mir mit seinem Gelächter echt auf den Geist ging), zog mich der Film dann spätestens mit der dritten Erzählung wieder richtig in den Bann. Da lief es mir an der ein oder anderen Stelle fast schon kalt den Rücken runter (Stimme). Das Ende fand ich ebenfalls richtig stark. Gerade aus heutiger Perspektive, eine enorm spannende Sichtung, im Hinblick auf Inszenierung und Erzählweise, und wie davon höchstwahrscheinlich das moderne Kino geprägt wurde.
Tokyo Story von Ozu Yasujirō (1953)
Eine gänzlich andere Art von Film ist Tokyo Story. Ein sehr ruhiges Familiendrama, das vom Besuch eines alten Ehepaars in Tokyo handelt, wo sie ihre drei noch lebenden, inzwischen Erwachsenen Kinder und deren Familien sowie ihre verwitwete Schwiegertochter besuchen. Ihre Kinder allerdings sind ganz in ihre eigenen Leben und Verpflichtungen eingebunden, so dass sie kaum Zeit haben, sich um die beiden Alten zu kümmern. Schliesslich entschliessen sie sich, Mami und Papi einen Spa-Urlaub im Hotel eines nahegelegenen Erholungsortes zu bezahlen. Derweil müssen die beiden Eltern sich damit zurechtfinden, dass ihre Kinder nicht ganz so leben und geworden sind, wie sie es sich vorgestellt haben.
Eine ganz ruhige, sensibel und unaufgeregt erzählte Geschichte mit einem Hauptdarsteller:innen-Paar, das einem sofort ans Herz geht. Der Film erzählt von einer Nachkriegsgesellschaft, in der zwischen den Generationen eine grosse Kluft aufgegangen ist, in der aber Konflikte nicht offen ausgetragen werden, sich aber in der gegenseitigen Distanz als Entfremdung deutlcih spürbar machen. Ein Konflikt zwischen traditionellen Familienwerten und modernem Individualismus zeichnet sich immer deutlicher ab und wird am Ende offen thematisiert.
Tokyo Story ist wohl mein Lieblingsfilm von denen, die ich in den letzten Tagen geschaut habe. Zwar sehr ruhig, aber fantastsich beobachtet und enorm warmherzig. Vor allem die beiden Darsteller:innen des alten Ehepaars fand ich sowas von rührend. Gleichsam bietet der Film einen tollen nuancierten Blick auf die japanische Gesellschaft damals (oder einen Ausschnitt daraus). Wiederum visuell sehr schön anzuschauen, aber halt sehr ruhig und langsam erzählt, ohne grosse Dramaturgie. Ähnlcih wie bei "To kill a Mockingbird" würde ich übrigens behaupten, könnte der Film genauso heute im Kino laufen. Klar, nicht für ein riesen Mainstreampublikum - dafür ist er zu langsam erzählt, aber wer solchen ruhigen Filme mag, wird auch Tokyo Story mögen und kaum Probleme aufgrund des Alters haben, wie es durchaus bei gewissen Klassikern der Fall sein kann.