Eine unverkennbare Liebeserklärung an das Franchise, ein Triumph der Kontinuität, ein verdammt unterhaltsamer Sci-Fi-Horrorfilm, eine neue Hoffnung, aber mit nichten perfekt. Das ist Alien Romulus.
Am Anfang gab es Alien. Ridley Scott hatte schon damals wirre Spontanideen, doch zu dem Zeitpunkt Ende der 70er noch vergleichsweise jung und mit wenig Gewicht im Business ausgestattet, bekam er genug Gegenwind, dass wir den Klassiker so genießen können wie er in immerhin zwei Fassungen gesehen werden darf. Viele Jahre später kommt Scott wieder zum mittlerweile verselbständigten und überaus erfolgreichen, filmisch jedoch festgefahrenen Franchise zurück. Und diesmal widersprach ihm niemand mehr (man hatte die negativen Seiten von sowas bereits wenige Jahre zuvor bei George Lucas und seiner Prequel Trilogie zu Star Wars erlebt). Er kitzelte wild in David Spaihts Drehbuch herum und, scheinbar gelangweilt von seiner eigenen Schöpfung, versuchte er viel daran zu verändern. Nichtmal der Titel blieb. Prometheus kam nicht gut an, und so warf man die Pläne für das was mal Alien Covenant werden sollte mehrmals um, um es wieder mehr dahin zu bringen wie man der Meinung war, dass es gut ankäme. Die Rule of Cool und neue Lebenszyklen und Entwicklungsformen des einst so einfach gestrickten Xenomorphs verkomplizierten jedoch alles und warfen jede Kontinuität erneut über Bord.
Bei Twentieth Century Fox stand man nun vor einem undurchsichtigen Haufen von unpassenden Versatzstücken eines Franchise, das zu wertvoll war um es liegen zu lassen. Dann kam Autor Andrew E. Gaska, der alle primären und sekundären Quellen der Alien Lore sichtete, ordnete, in einen kohärenten Sinnzusammenhang brachte und im Auftrag des Studios eine Lore-Bibel verfasste, welche 2020 in Form des preisgekrönten TTRPG-Regelbuchs "Alien - The Roleplaying Game" veröffentlicht wurde. Hier macht alles einen Sinn, was zuvor in den Filmen an unerklärlichen, unzusammenhängenden Einzelfakten existierte: Die Lebenszyklen des Xenomorphs, die Wirkung des Pathogens, der technologische Rückschritt. Alles verwoben zu jenem Teppich, auf dem sich aktuelle und künftige Werke um das Alien ausbreiten dürfen.
In Alien Romulus trägt diese Arbeit erstmals Früchte. Wer es gelesen hat, erkennt Terminologien, Zusammenhänge und Hinweise wieder, die hier minutiös beachtet werden. Doch nicht allein eine sklavische Bibeltreue ist es, die den Film sehenswert macht. Neben den sinnvollen Ergänzungen ist es die virtuose Inszenierung und der kurzweilige Abwechslungsreichtum, das m.E. perfekt leerlauffreie Pacing der Geschichte und die dichte Atmosphäre, die kompromisslose Brutalität und die effektiv genutzten Figuren. Hier wird einfach fast alles richtig gemacht.
Im Kern ist es, wie der Originalfilm eine Geschichte über die kommerzielle und biologische Ausbeutung des Menschen. Man könnte sogar sagen, dass Alien Romulus dem nicht viel hinzufügt. Vielleicht muss der Film das auch gar nicht, denn diese Themen sind noch heute aktuell. Vielleicht genügt es, dass Alien Romulus das Franchise in ein modernes Zeitalter hievt. Den vielen, clever verbauten und nie dem Selbstzweck dienenden Callbacks zum Trotz bleibt der Film dabei eigenständig genug, um als der softeste aller Soft Reboots zu gelten.
Wir bekommen dabei keine allzu komplexe Geschichte vorgesetzt, erleben wir doch im Grunde den Widerstreit von Überlebenswille und Profitgier. Aber die bereitete Bühne und die abwechslungsreichen Hürden durch Umwelt und Antagonisten, denen sich die ProtagonistInnen stellen müssen, sind in bester Survival-Horror-Manier angemessen clever, oder zumindest gibt es für alle Setups auch mindestens ein Payoff.
Natürlich ist Alien Romulus aber auch nicht perfekt. Selbstverständlich gibt es logische Lücken, bei denen die Grenzen des Realismus arg strapaziert werden und grade gegen Ende greifen die Reminiszenzen dergestalt in die Struktur des Filmes ein, dass er leider ein Stück weit vorausschaubar wird, wenn man die Reihe kennt. Und natürlich gibt es ein Sequel-Bait, auch wenn es als solches dankenswerterweise nicht nochmal ausformuliert wird. So können wir, bei Erfolg auf Fortsetzungen hoffen, die dann wieder etwas eigenständiger in ihrer Struktur werden.
Auf schauspielerischer Ebene gibt es vor allem bei den beiden klaren Hauptrollen nichts zu meckern. Ich würde sogar so weit gehen, dass David Jonsson als Andy einen für das Genre fast schon unangemessen guten Job macht. Cailee Spaeny weiß darauf und auf die Geschehnisse angemessen zu reagieren, schafft es, den Film sogar ein Stück weit als Protagonistin zu tragen. Doch die Fußstapfen einer Sigourney Weaver sind groß und die Momente ihrer Badassigkeit kommen scheinbar aus dem Nichts. Ripley war immerhin Erster Offizier. Die anderen Figuren sind, bis auf die Ausnahme des Wissenschaftsoffiziers-Androiden Rook mehr oder weniger Abziehbilder aus Teenieslashern: Da gibt es den Sympathischen, den Arsch, die Schwangere und das unterbewusst von Anfang an als solches kommunizierte erste Opfer (wenn man mal davon absieht, dass Poster und Trailer das bereits sowieso spoilern). Die Charaktere sind alle greifbar und vor allem Mr. Arsch gibt sich sichtlich Mühe, doch der Suspense, wen es erwischt und wen nicht, was das Original noch auszuspielen wusste, fehlt hier völlig. Der Ausgang scheint klar und so kann der Weg dahin nur durch blutiges Spektakel unterhalten. Das schafft der Film zwar, doch es wäre auf Script-Seite durchaus mehr drin gewesen.
Lobend möchte ich nochmal die Einbindung des Androiden Rook in Gestalt eines CGI Doubles des mittlerweile verstorbenen Ian Holm erwähnen. Es war sicher nicht nötig, aber die (kurioserweise bislang noch nicht gespoilerte) Überraschung war es wert und den Job als Antagonist auf Grund seiner Programmierung erledigt er prima.
8,5/10 Facehugger
Und damit die höchste Nicht-Meisterwerk Bewertung die ich vergeben kann, gleich hinter Alien und Aliens, denn der Film macht einfach Spaß.
Allein schon wegen dem merklich dort hineingeflossenen Herzblut eine gelungene Fortsetzung und wesentlich mehr Wiedergeburt für die Reihe als "Alien - Die Wiedergeburt".