Ich will ehrlich sein. Nach der doch sehr hypereichen Marketingphase bin ich nun aufgewacht. ;-) Dieser Film ist Groß, er ist gigantisch und hat mich in der ersten Hälfte so sehr in den Bann gezogen, dass ich für einen Moment wirklich dachte, ich befände mich mitten in der mir sehr gut bekannten Comic-Vorlage. Doch dieses Gefühl verschwand mit dem Auftritt Supermans. Alles gleicht einem einzigen Trailer des großen Helden. Soviel glaubwürdige Sci-Fie hat es seit langer Zeit nicht in einem Superhelden-Film gegeben. Keine Fantasy, sondern ernsthafte kriegerische Auseinandersetzungen, einen glaubwürdigen Gegner, eine spannende Suche und zeitgemäße Antworten für Clark Kent. Alles spielt in unserer Gegenwart und die Welt um Superman scheint nicht im Ansatz zur altbackenen Strumpfhosen-Parallelwelt zur verkommen. Das meint man zumindest in der ersten Hälfte des Films.
Die Farm sieht aus wie aus den Comics. Nach der gefühlten Hälfte des Films erlebt man als Zuschauer eine der eindruckvollsten Szenen. Superman tritt auf die Bühne der Welt und spätestens ab diesem Moment hat Man of Steel nichts mehr mit den Superman-Comics und alten Filmen gemein. Es erinnert alles sehr stark an den Auftritt des dunklen Ritters. Superman sagt nicht viel, die Militärs stehen fassungslos da und erlauben ihm stillschweigenden den Aufenthalt, erkennen ihn als Verbündeten an. Es sind diese Momente, wo Hans Zimmers Soundtrack zur Geltung kommt, wo jeder hofft, dass die ganze Welt ihren Retter Superman begrüßt. Doch darauf wartet man vergeblich. "I just think he's hot!" lautet die Begrüßung der einzigen Superman gegenüber lächelnden Person. Achtet mal drauf!
Alles scheint wie auf den Kopf gestellt, alles wirkt wie ein zu schnell abgespielter Trailer. Superman ist zwar der Öffentlichkeit unter dem namen Kal-El bekannt, doch es gibt nahezu keine Szene im Film, in der die Reaktion der Menschheit gezeigt wird. Das ist ein ganz enstcheidener Bruch mit den alten Filmen und den Comics. Hier tritt Zod in den Vordergrund. Superman ist der Agent, er erledigt die ganz großen Aufgaben fürs Militär. So schnell wie er landet, schießt er wieder richtung Himmel. Man sieht viel zu wenig von ihm. Und wenn man etwas von ihm sieht, dann ist die Szenerie derat intensiv von CGI überschattet, dass es auch in diesem Film aussieht, als spiele man ein Playstation-Spiel. Es knallt minütlich und man blickt Superman zunehmend über die Schulter, meint, er wolle uns zeigen, wie es sich anfühlt Superman zu sein. Man merkt Synder an, dass er mit diesem Film ein Brandzeichen setzen will und keinen Superman mehr zeigen wird, der in der Not angeflogen kommt um zu helfen, sondern einen gebändigten Kriegsgott in Szene setzt, der bei seiner Landung Krater hinterlässt und der mit jedem Start die Schallmauer durchbricht. kriegsgott deshalb, weil hier religiöse Fragen enthalten sind (die Kirche) und mit gewaltsamen Tatendrang geantwortet wird. Metropolis wird zerstört: Wieviele Menschen sterben?
Ich bin nach diesem Film enttäuscht! Ich bin Superman-Fan der ersten Stunde, habe die alten Filme hunderte Male in der Videothek ausgeliehen und war wie elektrisiert, als ich davon hörte, dass Nolan/Snyder Superman in unsere Gegenwart zurückholen. Doch sie halten ihr Wort nicht; sie tauschen Superman durch den man of Steel aus, in allen Facetten. Das Ende des Films gleicht dem von Transformers 3, die Story der zweiten Hälfte ist für'n Arsch. Soviele Zufälle und Logiklöcher, wie hier zusammenkommen (ich weiß, es ist eine Comicverfilmung) kann man nicht ernst nehmen. Damit scheitert der Realismus bereits im Ansatz. Die Welt scheint so groß wie eine Sitcom zu sein. Louise Lane scheint 7 Milliarden Menschen binnen 2-3 Minuten zu durchleuchten und findet dann auch noch sofort ihre Hinweise. Und der Professor ist zufällig im Team und erklärt Zods Waffe im Detail. Woher weiß er das alles?! Um ehrlich zu bleiben: Man merkt diesem Film an, dass er nur von seinen Bildern und dem trailer-artigen Aufbau (zeitsprünge, unerwartete Schnitte) leben will. Das konnte man in TDKR auch beobachten. Es fragt niemand mehr, weshalb die Kent-Farm unetdeckt bleibt, obwohl dort eine Spur der Verwüstung beginnt. Überhaupt scheint in diesem Film klar zu sein, dass der Regiesseur bestimmt, was Tarnung und Logik bedeutet.
Erinnert sich noch wer von euch als Bruce Wayne in TDKR am Ende auf einmal mitten in Gotham City steht und sich jeder fragt: Wieso können die Menschen nicht flüchten, aber Bruce schafft es ohne Aufsehen bei Tageslicht auf die von Bane kontrollierte Insel. Bei Man of Steel geht es einem an vielen Stellen ähnlich. Man darf sich einfach nicht fragen, woher Louis etwas weiß, was Jonathan Clark erzählt hat, damit die Story überhaupt anrollt.
Ich garantiere jedem Kinobesucher einen sehr schockierten Moment. Ab da ist einfach klar, dass nichts mehr wie früher sein wird. Das mag für die Figur befreiend sein, passt es doch zum Zeitgeist. Aber das lässt all diejenigen, die Superman aus ihrer Kindheit kennen stumm und geknickt sitzen. Man hätte es nur anders schreiben müssen und selbst die damaligen Comic-zeichner wären nicht aufgestanden und hätten den Sall verlassen. Es mag etwas zu ernst genommen werden, aber es wäre vergleichbar mit einem Batman, der auf einmal mit Robin ins Bett steigt. Man wäre einfach geschockt. Es kam mir so vor, als wolle man die dunklen Elemente unserer realen Welt zusammenwürfeln und sie durch eine leichte und sich selbst nicht immer erklärende Geschichte umschließen. Das hatte ich aufgrund Nolans hang zum "Grounding" (Realismus-Empfindung) größer und ausgepfeilter erwartet, ohne Superman derart kalt zu zeigen. In der Szene hatte er keinen Ausweg, aber warum zeigt man sowas und verändert den Charakter so sehr. Solche Versuche wurden schon in einigen Heften damals mit Boykottierungen der Fans und Leserbriefen beantwortet.
Doch nun zum Guten des Films: Er ist groß aber leicht verdaulich. Diejenigen, die mit Superman bisher nichts anfangen konnten werden begeistert sein. Der Film funktioniert wie eine App. Es reiht sich ein weiterer Samurai (er profiliert sich nicht durch seine Taten) in die DC-Garde ein. Er blickt genau so kalt rein, wie Bruce Wayne, er lacht nur in zwei, drei Szenen und sieht zu Anfang aus wie Wolverine. "Das ist ein Mann!" sagte meine Frau. Er liefert Taten als Begründung und wird im Gegensatz zu Bruce Wayne so schnell erklärt, dass man hier die oft vermisste Action als Dauerdröhnung bekommt. Ich weiß nicht was ich davon halten soll, zumal die Action auch nicht von schlechten Eltern war. Sowas hatte ich mir auf der anderen Seite auch gewünscht, aber eben realistischer, wie in der Schlacht auf Smallvilles Straßen, nicht wie bei der 1:1 Kopie von Transformers 3.
Diejenigen, die den alten Superman mochten, bieten sich aber auch schöne Momente: Kevin Costner ist atemberaubend gut, sieht im Film stellenweise so alt aus wie in "Der mit dem Wolf tanzt". So kam es mir jedenfalls vor. Er füllt seine Rolle zu 100% aus, während Russel Crow wie ein emotionsloser Moderator wirkt, der mal hier mal da auftaucht. Lois lane ist eine Frau, kein Mädel. Sie wird zwar überhaupt nicht tiefer beleuchtet (eigentlich wird das bis auf Jor-El und Matha/Jonathan niemand), dafür wirkt sie um so realistischer, weil sie nur das tut, was Menschen tun können.
Martha Kent ist ebenfalls spitze besetzt, so wie die Farm hier so schön in Szene gesetzt ist, dass man 10 Staffeln Smallville im Schnelldurchlauf aufholt. Auch gut gefallen hat mir der Anzug Supermans. Er sieht aus wie eine Kampfmaschine, wie ein Gladiator. Es strahlt mehr Epicness aus, sieht überhaupt nicht mehr lächerlich in unserer Gegenwart aus. Mir aber hätte hier ein wenig mehr Donner / Singer gefallen. Zumindest mal eine Szene wäre angebracht gewesen, wo er sich nicht durch Action und wackelige Kameraschnitte präsentiert, sondern sich wie ein Freund darüber freut angenommen zu werden. Es wirkte stellenweise so, als wäre Superman auf Tabletten.
Ich bin durcheinander und glaube, dass ich etwas anderes in diesen Film rein interpretieren sollte, als eine Erinnerung an alte Tage. Es ist ein Reboot und als ein solcher hat er seine Aufgabe erfüllt: Es fühlt sich von der ersten Minute so an, als hätte es keinen vorherigen Film gegeben. Nichts erinnert an Christopher Reeves Tolpatischigkeit und das Spiel zwischen seinen beiden Persönlichkeiten. Clark ist in Man of Steel weder Clark noch Superman, er ist Kal-El, das Alien, das Loise beiseite stellt, um ihr am Ende um den Hals zu fallen. Null Romantik mehr, Grounding vom Feinsten. Es gibt eine Anspielung, die aber nicht ins Gewicht fallen will. Es gibt keinen Vorspann und keinen Abspan, kein Endflug im Orbit, kein Lächeln an das ich mich erinnern würde. Es geht los wie bei The Dark Knight und hört auf wie mitten im Film, dort, wo jetzt alles weitergeht.
6/10 Punkten